Die besten Eltern in der Literatur

Diese Woche fallen zwei besondere Tage zusammen, die alle Deutschen auf die eine oder andere Weise betreffen: Der Vatertag am Donnerstag und der Muttertag am – heutigen – Sonntag. Denn immerhin sind wir alle Kinder unserer Mütter und Väter und manche von uns sogar auch Eltern der eigenen Kinder. Diese zwei Tage haben wir uns zum Anlass genommen, über literarische Eltern nachzudenken, und wollen euch im Folgenden Mütter und Väter vorstellen, die ihre Sache – ob konventionell oder ungewöhnlich – gut machen.


♣: Man mag über The Hate U Give sagen, was man will, aber Maverick – oder Big Mav – ist ein wirklich vorbildlicher und lieber Vater. Obwohl er ursprünglich in einer Gang war, hat er sein Leben wegen der Geburt seiner Tochter umgekrempelt. Nachdem Starr in einen Mord verwickelt wird und Probleme mit der Polizei und allen möglichen anderen Gruppen und Institutionen hat, steht ihr Vater immer hinter ihr und schreibt ihr nicht vor, was sie zu tun oder zu lassen hat. Im Gegenteil: Er unterstützt sie, egal was sie vorhat. Und auch mit seinen Vorurteilen räumt er im Laufe des Romans auf. Bei Big Mav kann Starr sich anlehnen und er schenkt ihr immer ein offenes Ohr. Dabei verkörpert er mit seiner toughen und beschützerischen, aber eben auch liebevollen Art die perfekte Mischung. Seien wir ehrlich – wer hätte nicht gern so einen Vater?

: Eine etwas andere Art der Vater-Sohn-Beziehung existiert zwischen Dexter und Harry Morgan. Was tut man, wenn man feststellt, dass das eigene (Adoptiv-)Kind ein Soziopath ist? Richtig, man bringt ihm das Töten bei, damit es wenigstens nicht dabei erwischt wird.
Von dieser aus pädagogischer Sicht fragwürdigen Entscheidung abgesehen, hat Harry damit vieles richtig gemacht und Dexter mehr geholfen, als ein anderer es hätte tun können. Er hat seine eigenen Skrupel überwunden, um seinen Sohn vor dem Gefängnis zu bewahren, und es damit sogar geschafft, einem scheinbar empathielosen Jungen einen moralischen Kompass einzupflanzen. Noch lange nach seinem Tod leitet er Dexter dabei bei seinen Entscheidungen.
Ohne seine konsequente, aber einfühlsame Erziehung, wäre Dexter nicht nur sehr schnell im Gefängnis gelandet, sondern könnte seine Triebe vermutlich noch weniger unterdrücken. So schafft er es (zumindest meistens), seinen Drang zu kontrollieren und zu kanalisieren, sodass er damit immerhin die Welt auf seine eigene Art etwas gerechter macht und ansatzweise ein normales Leben führen kann. Die wertvollste von Harrys Lektionen besteht allerdings nach wie vor darin, dass er Dexter gezeigt hat, wie man seinen Sohn bedingungslos liebt, und dass Dexter diese Lektion gelernt hat, sehen wir spätestens an seiner eigenen Liebe zu seinem Sohn Harrison.

♠: Harry Morgan finde ich persönlich auch sehr genial, auf den muss man erstmal kommen! Ich vergesse gern, dass die Dexter-Serie auf einer Buchreihe basiert. Eine Verfilmung, die etwas weniger gelungen ist, ist meiner Meinung nach die von Cornelia Funkes Roman Tintenherz. Dafür liebe ich Mortimer Folchart (better known as Mo) umso mehr. Seine großartige Fähigkeit hat ihn seine Frau gekostet, wodurch er seine Tochter Meggie vor sich selbst bewahren will. Seine Geheimniskrämereien sind wohldurchdacht, tragisch und zugleich irgendwie liebenswert. Und überhaupt: Wer möchte keinen Buchbinder zum Vater haben? Die Beziehung zwischen Meggie und Mo ist ohnehin etwas seltsam, fast schon freundschaftlich statt rein familiär. Zwischen ihnen herrscht vor Beginn des ersten Kapitels ein starkes Vertrauen, das Mo bricht. Dadurch bekommt er eine großartige Dynamik. Mo ist ein toller Vater, den manch einer bestimmt gern aus den Seiten herauslesen würde.

: Mein Gedächtnis ist furchtbar schlecht, und es ist um die acht Jahre her, dass ich The Poison Throne gelesen habe. Trotzdem fiel mir nach unserer Themenwahl beinahe sofort Lorcan Moorehawke ein, der Vater der Protagonistin Wynter.
Grund dafür ist die herzzerreißende Szene am Ende des Romans, in der er Wynter zur Flucht verhilft, während er selbst zurückbleibt, den Intrigen des Hofes ausgeliefert und todkrank. Neben dieser Selbstlosigkeit hat er außerdem dafür gesorgt, dass Wynter auf eigenen Beinen stehen kann. Er unterrichtete sie in der Schreinerei, sodass sie zu Beginn des Buches eine vierjährige Ausbildung hinter sich hat, zu den besten Lehrlingen gehört und sogar Anrecht auf Bezahlung hat. Auch für die anderen zwei Protagonisten stellt er eine Vaterfigur dar und steht ihnen mit Rat und – soweit es ihm möglich ist – Tat zur Seite. Er wirkt beizeiten übertrieben beschützerisch, aber das sei ihm angesichts der vielen Gefahren dieser Fantasywelt verziehen.

: Eine Mutter, wie sie sich vermutlich jedes Kind gewünscht hat, ist Molly Weasley. Nicht nur ihre eigenen zahlreichen Kinder versorgt sie mit Liebe, Essen und Geborgenheit, sondern auch Harry und Hermine, die sie jedes Mal empfängt, als seien sie ihre eigenen Kinder. Das Haus der Weasleys wird damit für Harry genauso zum Zufluchtsort, wie es für Ron sein Leben lang war.
Das Großartigste an ihr ist, dass sie nicht zu den Müttern gehört, die bloß kochen und herrliche Weasley-Pullover stricken können, sondern auch zu denen, die richtig etwas auf dem Kasten haben. Ihr Mutterinstinkt zeigt sich in vielen Situationen, am deutlichsten wird er allerdings, als Bellatrix Ginny angreifen will, Molly dazwischengeht und schließlich über Bellatrix triumphiert. Mit einer Mutter wie ihr hätte sich Voldemorts Gefolge eben besser nicht anlegen sollen.

: Es ist kaum in Worte zu fassen, wie gruselig die Vorstellung ist, seinen eigenen Gedanken nicht trauen zu können. In der Graceling-Trilogie ist dies der Fall, denn der sadistische König Leck kann die Gedanken seiner Mitmenschen kontrollieren und machte sich so ein ganzes Königreich untertan. Seine Frau Ashen unterliegt diesem Bann, bis ihre Tochter Bitterblue geboren wird und sie sich seinem Einfluss teilweise entziehen kann. Sie entwickelt Verteidigungsstrategien, damit ihre Gedanken klar bleiben, die sie auch ihrer Tochter beibringt und nimmt dafür harte Strafen in Kauf. Als Leck dann immer größeres Interesse an Bitterblue zeigt, seine Misshandlungen sich auf sie ausdehnen, sieht Ashen den einzigen Ausweg in der Flucht. Für sie endet der Versuch tödlich, Bitterblue aber rettet er das Leben, da sie so den Klauen ihres Vaters entkommt.
Es ist bemerkenswert, wie aufopferungsvoll und stark Ashen ist. Nicht nur überlebt sie jahrelangen Missbrauch, sie ist auch bereit, für ihre Tochter alles zu riskieren. Sie widersetzt sich Leck, stellt sich zwischen ihn und Bitterblue und ringt sich letzten Endes zu dieser für sie selbst fatalen Flucht durch.

♣: Eine bemerkenswerte Mutter ist auch Natalie Prior aus Die Bestimmung, Tris‘ Mom. Sie tritt in den Büchern zwar nicht sehr dominant auf, das macht aber gar nichts, denn sie gleicht dies mit ihrer aktiven Beteiligung am Plot aus. Als Tris‘ nicht zu den Altruan, sondern zu den Ferox geht, unterstützt sie ihre Tochter dennoch weiter und besucht sie schließlich auch am Besuchertag in Tris‘ neuer Fraktion und instruiert sie, mit ihrem Bruder zu sprechen. Besonders interessant an ihr ist die Tatsache, dass sie selbst von den Ferox stammt und die Altruan gewählt hat und ihrer Tochter nun dabei zusieht, wie sie den gegenteiligen Weg beschreitet. Dies alles macht sie bisher auf jeden Fall zu einer guten Mutter. Besonders anzurechnen ist Natalie allerdings, dass sie sich für ihre Kinder wirklich aufopfert. Sie rettet Tris vor Jeanine und will sie in Sicherheit bringen. Schließlich stirbt sie, indem sie ihre Tochter erneut vor dem sicheren Tod rettet. Dies ist eine wirklich rührende Aufopferungsbereitschaft. Tris ist zwar flügge geworden und wohnt nicht mehr bei ihren Eltern – um die Metaphorik einmal in unseren Alltag zu übersetzen – aber dennoch zögert ihre Mutter nicht, für sie einzustehen. Sie ist also vielleicht nicht die bekannteste Mutterfigur in der Literatur, aber definitiv eine der großmütigsten, wenn es um ihre Kinder geht.

♠: Eine echte Kämpferin ist definitiv Felicia Degnelly aus der Sturmzeit-Trilogie von Charlotte Link. Sie ist eigentlich eine egoistische Unternehmerin, die in den harten Jahren vor dem zweiten Weltkrieg ihr Unternehmen verteidigt, sogar gegen ihre eigenen Gefühle. Sie weiß immer, wie sie ein Problem anzupacken hat, ohne ihre Gegner zu betrügen oder verletzen. Eine ehrliche, geradlinige Frau, die ihre Tochter Belle zu ihren ehrgeizigen Plänen inspiriert. Die Trilogie vereint mehrere Schicksale, Chaos und Reichtum, und zeigt einige starke Frauen, von denen die Mutter Felicia am meisten hervorsticht. (An dieser Stelle einen lieben Dank an meine Mutter, die mich auf Felicia gebracht hat!)

♠: Kleiner Nachtrag von meiner Seite: Ich fand es schwer, mich für eine Mutter zu entscheiden. Warum das so ist, hat mir Yvonne vom Seitenglück-Blog sehr gut erklärt, darum an dieser Stelle ein Lesetipp.

Und damit wollen wir allen Eltern – und natürlich auch Großeltern – alles Gute zum Vater- und Muttertag wünschen! Ihr habt uns zu dem gemacht, was wir sind.
Auch in unserem nächsten Roman, Der Ozean am Ende der Straße von Neil Gaiman, werden eine Mutter- und Großmutterfigur eine wichtige Rolle spielen. Wie wir das Buch fanden, erfahrt ihr dann ab nächstem Samstag. Bis bald!

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