Die unendliche Geschichte: Charaktere zwischen Gut und Böse

SCHLAMUFFEN!
Und damit ein Herzliches Hallo im zweiten Teil unserer Buchbesprechung. Du musst den ersten Part aus der vergangenen Woche nicht gelesen haben, keine Sorge. Denn dieses Mal konzentrieren wir uns auf die Charaktere, insbesondere darauf, wie gut oder böse sie sind. Viel Spaß!

Falls du die anderen Teile dieser Buchbesprechung noch nicht gelesen hast:
Teil 01: Inhalt/Ende (14.04.2018) | Teil 02: Charaktere (21.04.2018) | Teil 03: Sprache (28.04.2018) | Teil 04: Was Autoren von Michael Ende lernen können/Fazit (05.05.2018)



Das Lieblingszitat von ♣ aus der Unendlichen Geschichte:
Da führte ihn der Weg ins Änderhaus, damit er hier so lange bleiben sollte, bis er seinen Wahren Willen fände. Denn das Änderhaus hieß nicht nur so, weil es sich selbst verändert, sondern weil es auch den ändert, der in ihm wohnt. Und das war sehr wichtig für den kleinen Buben, denn bisher wollte er zwar immer ein anderer sein, als er war, aber er wollte sich nicht ändern.
♣:
Es sind so viele kleine moralische Botschaften eingebaut, die man als Leser gut aufnimmt, ob jung oder alt. Gerade auch Bastians Veränderung vom feigen, schüchternen Burschen zu einem selbstbewussten und verantwortungsvollen Jungen ist ja auch von Bedeutung. Zunächst denkt er mit seinen Wünschen nur an sich selbst, will stärker, klüger und hübscher werden, aber später merkt er, dass er genauso richtig ist, wie er eben ist, auch wenn er nun einmal dick ist und gemobbt wird. Und das zeigt auch dem Leser, dass Schönheit, Klugheit und Stärke nicht alles im Leben sind.

:
In dem Zusammenhang fiel mir besonders auf, dass Bastian in Phantásien sein Aussehen etc. ändert, aber dadurch eigentlich ein schlechterer Mensch wird, der sich nur um das Ansehen seiner Mitmenschen kümmert und möglichst hübsch, stark etc. sein (oder wirken) möchte.

♠:
Am Ende des Romanes wirkt er aber nicht gerade traurig darüber, dass er wieder in seinem eigentlichen Körper steckt. Es folgt ein Satz, dass er auf dem Baugerüst beim Verlassen der Schule ein paar Probleme mit seinem Gewicht hat, aber ansonsten schämt er sich nicht für seinen Körper. Wirkt auf mich so, als hätte er dazugelernt.

:
Das stimmt! Deswegen erinnert mich der Roman auch so sehr an einen Bildungsroman, wo ein Charakter auf eine Reise gehen muss, durch Fehler und die verschiedensten Begebenheiten dazulernt und sich dadurch (weiter-)bildet.

:
Als Bildungsroman würde ich das Buch auch durchaus bezeichnen. Immerhin ist Bastians Charakterentwicklung - zumindest im Nachhinein betrachtet - der grundlegendste Aspekt der Handlung.

♣:
Das Ende hätte halt besser dazu passen können. Wenn Bastian sich schon so ändert und genau dies die Handlung ausmachen soll, wäre es gut gewesen, wenn er dazu mehr hätte tun müssen. So gesehen hat er ja lediglich eine gute Zeit bei der Dame Aiuóla verbracht, seine Erinnerungen gesucht und schließlich war es Atréju, dank dem er wieder in seine eigene Welt gelangen konnte.

♠:
Eine klassische Heldenreise ist es jedenfalls nicht, da Bastian sich nicht weigert, einzugreifen. Er will es sogar. Und auch Atréju stellt sich nicht quer, als es um das Abenteuer geht. Bei einer klassischen Heldenreise steht am Anfang ja immer das “Oh, das Abenteuer ruft. Zeit für Ausschlafen und langes Frühstück und nicht daran denken”.

:
Am Anfang weigert sich Bastian aber, nach Phantásien zu gehen. Er muss ja im Grunde dazu gezwungen werden. Erst wenn er in Phantásien ist, fühlt er sich dort so wohl, dass er gar nicht mehr gehen möchte - vermutlich weil er dort alles haben kann, was er wollte, ohne dafür arbeiten zu müssen.

♠:
Trotzdem will er etwas unternehmen. Er fiebert nicht nur mit, sondern will Atréju helfen, der Kindlichen Kaiserin einen Namen geben und so weiter. Dass er Muffensausen bekommt, als es ernst wird, finde ich natürlich. Aber trotzdem sehe ich den Roman nicht als klassische Heldenreise, beim Bildungsroman bin ich eher bei euch.

♣:
Die Frage ist hier ja ohnehin die Zielgruppe des Romans. Ende hat gesagt, er schreibt für >das Kind in uns allen<, nicht für Kinder. Was bedeutet das also? Ist das Buch nur an Erwachsene oder mehrfachadressiert? Da ich es nur als Erwachsene gelesen habe, kann ich nicht so gut beurteilen, ob Erwachsener und Kind die gleiche Botschaft herauslesen oder ob es für den erwachsenen Leser eine Botschaft darüber hinaus gibt. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass Bastian für kindliche Leser ansprechender als Sympathiefigur ist, während Atréju vielleicht eher den erwachsenen Leser anspricht, da er bereits reifer ist und seine innere Mitte bereits gefunden hat.

:
Ich würde durchaus sagen, dass es mehrfachadressiert ist. Sowohl als Kind wie jetzt als junge Erwachsene konnte ich viel aus dem Roman mitnehmen. Ob es für den erwachsenen Leser eine Botschaft darüber hinaus darstellt, ist eine spannende Frage - für mich selbst würde ich behaupten, dass es nicht unbedingt ein “Mehr” ist, sondern einfach unterschiedliche Botschaften. Als Kind hat mir das Buch gezeigt, wie wichtig meine Fantasie ist und dass ich mich selbst akzeptieren kann, auch wenn ich anders bin, dass es wichtig ist, an meine Mitmenschen zu denken. Diesmal war die Grundbotschaft wohl ähnlich, aber ich sehe sie mit anderen Augen, weil ich einige gesellschaftliche Probleme darin erkenne, zum Beispiel die Mobbingthematik und psychische Erkrankungen. Als Kind fand ich übrigens Bastian ziemlich blöd und Atréju cooler, mittlerweile habe ich mehr Verständnis für Bastians Verhalten, glaube ich.

♣:
Ich kann Bastian schon verstehen, aber ich denke, es gibt viele Menschen, die sich nicht perfekt fühlen und trotzdem nicht so ein egoistisches und fast bis zum Schluss ignorantes Verhalten an den Tag legen. Er wird ja eher schlimmer als besser und erst zum Schluss sieht er ein, was er falsch gemacht hat. Das erinnert ein bisschen an Scrooge aus der Weihnachtsgeschichte von Dickens. Aber Atréju war ja auch in seinem Alter und trotz allem hat er sich nicht so verhalten. Klar, er war nicht dick und wurde nicht gemobbt, aber er war auch nicht neidisch auf Bastian und hat ihm immer nur als guter Freund zur Seite gestanden, selbst als er ihm im Kampf gegenüber getreten ist.

♠:
Es gibt ja auch durchaus Themen im Roman, die für Kinder etwas zu heftig sind (Tod von Bastians Mutter, die Zurückgezogenheit, Depression(?) seines Vaters). Die Frage ist ja, ob Kinder das überhaupt so wahrnehmen oder sich eher auf andere Aspekte konzentrieren. Wie Kiara schon vorher sagte: Als Kind mochte sie die Geschichte in Phantásien mehr, mittlerweile hat sich das geändert. Mehrfachadressierte Medien gibt es ja immer wieder. Ich schaue nach wie vor gerne “Cosmo und Wanda - Wenn Elfen helfen”, weil da wirklich schlimme Witze drin sind, die ich früher nie wahrgenommen habe.

:
Diana hat gut zusammengefasst, wie Bastian und Atréju sich gegenseitig ergänzen, beziehungsweise kontrastieren. Und gerade durch Atréjus positive Darstellung wird deutlich, wann Bastian falsch handelt, und wie die richtige Verhaltensweise aussieht.

♠:
Was dafür spricht, dass der Roman Kindern verdeutlichen kann, was gutes und schlechtes Handeln ist. Aber auch, wie Diana schon sagte, dass es nicht nur gut und böse gibt.

♣:
Zum Thema Gut und Böse ist ja auch interessant wie es dargestellt wird: Als würde es sich bedingungslos ergänzen und das eine könnte ohne das andere nicht sein. Deswegen ist es auch keine Wohltat Bastians, als er aus den hässlichen Arachai die fröhlichen Schlamuffen macht. Und die verschiedenen Orte, wie der Tränensee oder der Bunte Tod, werden auf eine besondere Art eingebaut, die bezeugt, dass sie nun einmal existieren, auch wenn sie gefährlich sind, und dass es eben auch gefährliche Dinge im Leben geben muss und nicht alles immer gut und harmlos sein kann. Diese Beschreibung von gefährlichen Dingen ist hier auch generell sehr markant und lässt das Buch gleichzeitig ernst und heiter zugleich wirken.

♠:
Schlamuffen ist ein tolles Wort.

:
Ich hatte auch das Gefühl, dass Bastian mit seinen Taten in Phantásien einen Übergang durchmacht. Am Anfang wirkten sie noch gut, aber mit der Zeit wurden sie immer schlechter, wie er zum Beispiel den Ritter demütigt oder ein Monster erfindet, das die Welt durchaus in Gefahr bringen kann.

♣:
Oder eine Zauberin erschafft, die ihm schließlich sogar ein Schnippchen schlagen will. Xayíde hätte ja auch beinahe ihren Willen bekommen. Hier zeigt sich aber auch wieder, dass Bastian unter großer Beeinflussung stand und teilweise gelenkt wurde. Das heißt aber nicht, dass er nicht dennoch für seine Taten und Wünsche verantwortlich ist.

:
Genau, man kann sein Verhalten zwar verstehen bzw. erklären, aber das entschuldigt es natürlich trotzdem nicht.

♠:
Solange wir als Leser es “besser wissen”, ist ja alles gut. Ich poche nicht darauf, dass eine Figur makellos sein muss, nur nachvollziehbar. Auch in Kinderbüchern

♣:
Ja, rein gute Charaktere sind ohnehin unglaubwürdig und erinnern eher an die Märchen, die Kindern erzählt werden, wie Aschenputtel oder Schneewittchen. Ich konnte mich zwar selten mit Bastians Entscheidungen identifizieren, aber sie werden gut motiviert und zeigen, dass jeder Mensch nicht nur gute oder böse Eigenschaften hat, sondern es immer zwei Seiten gibt, von denen jede dann und wann in den Vordergrund treten kann. Dagegen erscheinen viele der anderen Charaktere fast eher eindimensional, während Bastian dann doch eindeutig Tiefgründigkeit aufweist.

:
Genau, und sie zeigen auch: Wenn du dich mal falsch oder egoistisch verhältst, kannst du es wieder gutmachen. Auch, wenn ich manche von Bastians Taten dann doch erschreckend fand, zum Beispiel, als er Atréju beinahe umgebracht hätte.

♠:
Mir waren einige Charaktere auch zu eindimensional. Zwar war es ganz süß, dass Michael Ende häufig den Auftritt von Nebencharakteren mit “Aber das ist eine andere Geschichte und soll an anderer Stelle erzählt werden” beendet hat, aber es war doch ein bisschen unbefriedigend.

♣:
Gerade dieser Satz hat mich oft genervt. Er zeigt, dass es sich bei der Geschichte um eine unendliche Geschichte handelt, weil sie an vielen Stellen weitergeführt werden kann und im Grunde hätte es natürlich die gesamte Erzählung gesprengt, aber dennoch war es, wie du sagst, Jenny, unbefriedigend. Dann hätte er es auch so erzählen können, dass die Frage, wie es weiter geht, nicht aufkommt und der Leser nicht ohne Antworten verbleibt.

♠:
Obwohl ich ihn am Ende recht passend fand. Damit hat das Buch seinen Titel verdient. Schwierig.

:
Mir hat der Satz eigentlich gefallen. Dass einige Nebenhandlungen in einem Roman nicht thematisiert werden, kommt leider sowieso oft vor und irgendwie finde ich es sympathisch, dass trotzdem angedeutet wird, dass es in Phantásien noch so viele andere Geschichten als Bastians gibt.

♣:
Am Ende war es tatsächlich passend. Es hat damit harmoniert, dass Ende diese Phrase immer wieder anführt. Dadurch wurde das Buch irgendwie rund. Ich habe tatsächlich auch gar nicht unbedingt wissen wollen, wie die verschiedenen Geschichten wie Held Heynrecks weitergehen. Das wurde erst durch diesen Satz motiviert. Gleichzeitig erzeugt er Spannung und Frust.

♠:
Das trifft es ziemlich genau.



Das war es erstmal für diese Woche! Am kommenden Samstag schauen wir uns mal die Sprache des Romanes an, stay tuned!


Falls du die anderen Teile dieser Buchbesprechung noch nicht gelesen hast:
Teil 01: Inhalt/Ende (14.04.2018) | Teil 02: Charaktere (21.04.2018) | Teil 03: Sprache (28.04.2018) | Teil 04: Was Autoren von Michael Ende lernen können/Fazit (05.05.2018)

Kommentare

Beliebte Posts