Die unendliche Geschichte: Über das Ende des Michael Ende

Alle Enden haben einen Anfang, so auch bei unserem Blog. Für unsere erste Buchbesprechung haben wir uns in der Unendlichen Geschichte von Michael Ende verloren. Im wahrsten Sinne des Wortes. Da wir eine Menge darüber geredet haben, gibt dieser Post nicht das komplette Gespräch wieder, sondern erstmal nur den Anfang. (Mit dem Ende beginnt man aber auch nicht, logisch).




Das Lieblingszitat von ♠ aus der Unendlichen Geschichte:
»Ich möchte wissen«, sagte er vor sich hin, »was eigentlich in einem Buch los ist, solange es zu ist. Natürlich sind nur Buchstaben drin, die auf Papier gedruckt sind, aber trotzdem – irgendwas muß doch los sein, denn wenn ich es aufschlage, dann ist da auf einmal eine ganze Geschichte. Da sind Personen, die ich noch nicht kenne, und es gibt alle möglichen Abenteuer und Taten und Kämpfe ...«

♠:
Dann legen wir mal los! Hallo, ihr drei! Wir haben über einen zugegeben etwas langen Zeitraum Die unendliche Geschichte von Michael Ende gelesen und wagen uns mal an die erste Buchbesprechung. Was ist das Erste, woran ihr denken müsst, wenn ihr an das Buch zurückdenkt?

♣:
Mir fallen da gleich mehrere Dinge zugleich ein: Die vielen phantastischen Wesen, die wirklich ereignisreiche Handlung, die bildliche Sprache und vor allem die Beziehung zwischen Bastian und Atréju und Bastians Entwicklung im Laufe der Geschichte.

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Da ich das Buch bereits als Kind gelesen habe, ist der Roman für mich vor allem eine Zeitreise in die Vergangenheit gewesen, eine Erinnerung an mich selbst, als ich das Buch zum ersten Mal in der Hand gehalten habe. Damals hat es meine eigene Fantasie angekurbelt und war für mich, genau wie für Bastian, eine Reise in eine andere Welt, die ich mit ihm erleben durfte. Diesmal war es das auch, nur, dass ich gleichzeitig mit Bastian und meinem alten Ich gereist bin und viele Bekannte in Phantásien wiedergetroffen habe.

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Lustigerweise denke ich bei der Unendlichen Geschichte zuerst an die zwei Schriftfarben im Roman. Ich finde die Idee sehr interessant, zumal ich die Farben eigentlich genau anders herum gewählt hätte, weil wiederholt eine grüne Wand in der realen Welt beschrieben wurde, während Phantásien eher mit etwas rotem verbunden wurde, wenn ich mich richtig erinnere. Soweit ich es verstanden habe, stand dann aber Rot für die reale Welt und Grün für Phantásien. Sonst denke ich auch an Bastians Entwicklung, wie ♣. Deswegen kommt mir der Roman teilweise wie ein Bildungsroman vor.

♠:
Mir fällt vor allem ein, wie das Buch in meine Hände geraten ist. Ähnlich wie bei Bastian bin ich relativ zufällig darüber gestolpert. Ich schrieb damals einen Zeitungsartikel über Bookcrossing. Ich nahm mehrere Bücher nach Hause, zum Beispiel Schiffbruch mit Tiger, aber auch Die unendliche Geschichte in ihrer Originalfassung, samt Illustrationen und zweifarbigem Text von 1979. Ich kam bis jetzt nicht dazu, die Geschichte zu lesen und überlege jetzt, ob ich es gemäß des Bookcrossing-Prinzips wieder freilassen sollte. Bastian hat es am Ende des Romans auch nicht mehr ...
Mein erster Gedanke an das Buch ist also nicht unbedingt auf die Geschichte bezogen.

♣:
Die Schriftfarben sind mir auch sofort ins Auge gesprungen. Ich glaube aber, dass die Wahl durchaus bedacht war, da doch Atréju, der in der fiktiven unendlichen Geschichte zunächst Protagonist ist, eine grüne Haut hat. Und die Farbe Purpur war ebenfalls von Bedeutung, aber wenn ich mich recht entsinne, bezieht sich das mehr auf den Umschlag des fiktiven Buches und das Buch gehört ja wiederum eher zu Bastian selbst, weil er ein wichtiger Bestandteil der Rahmenhandlung ist. Typographisch ist das Buch wirklich wunderschön gestaltet und gerade die Illustrationen geben einem noch einmal einen besonderen Eindruck, auch wenn sie manchmal etwas erschreckend aussehen mögen.

♠:
Bei der Grünhäutigkeit musste ich übrigens an olivgrün denken, wie im Film. Den haben wir in der Schule mal zur Hälfte gesehen, aber das ist schon ewig her. Der Buchumschlag bei Bastian war aber kupferfarben und nicht purpur, in der Realität ist er dunkelrot … glaube, völlig übertreiben wollten die Verleger bei den Produktionskosten des Buches nicht.
Die Illustrationen finde ich auch wunderschön! Dadurch bekommt man doch ein wenig mehr den Eindruck, dass es ein Buch für Kinder ist. Thematisch ist das meiner Meinung nicht immer der Fall.

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Wo ihr jetzt die Rahmenhandlung erwähnt: Ist euch eigentlich aufgefallen, dass Bastian bei seinen ersten beiden Auftritten von außen irgendwo hereinkommt? Auch, dass direkt am Anfang des Buches das Schild verkehrt herum ist.

♠:
Stimmt, und später geht er immer von innen nach außen. Eigentlich ein schöner Weg, seine Charakterentwicklung zu verdeutlichen. Ist mir aber ehrlich gesagt erst jetzt aufgefallen.
Das mit dem Schild fand ich richtig toll: In meiner Fassung ist das spiegelverkehrt. Ist das in den späteren Ausgaben auch noch so?




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Das ist mir beim Lesen auch aufgefallen. Insgesamt bin ich auch ein großer Fan von erstens der Buchgestaltung an sich, und zweitens genau solchen kleinen Details. Ende hat es perfekt geschafft, die innere und äußere Handlung miteinander zu verbinden, und der Verlag hat das Ganze mit der passenden Gestaltung gekrönt.

♠:
Ja, das ist ein simpler und genialer Weg, unaufdringlich und abgerundet. Sowas liebe ich ja!

♣:
Ich habe ebenfalls die Ausgabe von 1979 gelesen, daher bin ich mir nicht sicher, ob sie es in späteren Ausgaben auch so gehalten haben. Aber das macht auf jeden Fall einen tollen Eindruck auf den Leser, da das Schild direkt zu Beginn der Geschichte abgebildet wird und dadurch selbst ein wenig phantastisch wirkt. Die Sache mit dem Herein- und Herauskommen ist aber auch spannend, das ist mir so noch gar nicht richtig aufgefallen, aber es stimmt und fügt sich damit wirklich perfekt ein.

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Wo wir noch über den Anfang reden: Ich fand es auch recht lustig, dass Koreander Bastian beschuldigt, ein Dieb zu sein und ein paar Seiten später wird er tatsächlich einer.

♠:
Stimmt! Ich fand die Sache mit den Namen noch lustiger! Aber da bin ich simpel gestrickt. 
Wie ging es euch mit dem Wechsel zwischen der Realität und der Märchenwelt? Hat euch das gestört oder gefallen? Im späteren Verlauf der Geschichte ergibt natürlich alles einen Sinn, aber anfangs fragt man sich schon ein wenig, warum hier zwei Geschichten erzählt werden, oder?

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Insgesamt fand ich den Wechsel sehr gelungen und passend. Ende hat gleich am Anfang Hinweise auf den späteren Verlauf (dass Bastian nach Phantásien kommt) eingestreut, und die Verbindung zwischen Bastian und dem Buch war sofort da. Allerdings habe ich auch hier einen interessanten Kontrast zu meinem Leseempfinden als Kind feststellen können: Während mir diesmal vor allem die Abschnitte in der Realität gefallen haben und mit ihrer Botschaft im Gedächtnis geblieben sind, habe ich diese als Kind als langweilig empfunden und es nicht erwarten können, ganz in Phantásien abzutauchen. Diesmal kamen mir einige Handlungen innerhalb Phantásiens sogar zu langwierig vor.

♠:
Stimmt, mir haben die Episoden in der Realität erst besser gefallen, weil mir Bastian als Protagonist mehr gefallen hat als die schillernden Helden und Boten Phantásiens. Klar, Atréju ist wirklich sympathisch, aber Bastian lag mir natürlich erstmal mehr am Herzen, weil ich ihn zu dem Zeitpunkt der Geschichte besser kannte.
Mein Herz schlägt aber vor allem für Fuchur.

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Ja, Fuchur ist toll! Auch symbolisch repräsentiert er eine wichtige Botschaft für Kinder: Wenn man auf sein Glück vertraut, gelingt einem vieles besser.

♣:
Ich habe tatsächlich die ganze Zeit damit gerechnet, dass dieser Wechsel zwischen den Welten passiert, aber er wird doch sehr interessant inszeniert. Der Leser und Bastian bekommen erst nach und nach mit, dass Die unendliche Geschichte nicht nur eine Geschichte ist, sondern existiert und lebt. Bastian sträubt sich ja anfangs dagegen und später will er die Geschichte nicht mehr verlassen. Das ist eigentlich auch eine interessante Gegenüberstellung von Bastians Wünschen. Ein bisschen scheint das auch mit seinem anfänglichem Widerstreben zusammenzuhängen, sich zu ändern.
Ich muss ja ganz ehrlich zugeben, dass Bastian und ich keine Freunde werden. Ich finde seinen Charakter sehr durchdacht und gut von Ende dargestellt, aber er war mir einfach ein bisschen zu arrogant und unsensibel, während Atréju immer nur an andere denkt. Durch die Spiegelszene bei den Toren habe ich dadurch auch das Gefühl bekommen, dass die beiden zwei Teile eines Ganzen sind. Und obwohl auch Atréju Fehler macht, scheint Bastian am Ende trotzdem nicht richtig aus seinen zu lernen. Es fügt sich zwar alles, aber so wirklich muss er keine Opfer bringen.

♠:
Ich finde schon, dass Bastian aus seinen Fehlern lernt. Immerhin ist eines der ersten Dinge, die er tut, der Gang zu Herrn Koreander. Obwohl er das Buch nicht mehr hat und es darum auch nicht zurückgeben kann, geht er zu ihm und entschuldigt sich für seinen Diebstahl. Als Herr Koreander sich nicht an das Buch erinnern kann, sagt Bastian nicht “Och joa, okay, dann gehe ich halt einfach”, sondern erklärt die Situation. Das finde ich sehr mutig und ist ein ziemlicher Kontrast zu dem Bastian darstellt, der er am vorherigen Tag war (bevor er in die Geschichte geriet).

♣:
Das stimmt schon. Aber ich fand das dann alles einfach zu plötzlich und ja, vielleicht liegt es an der phantastischen Komponente, durch die die echte Welt ja geheilt werden sollte, aber es war einfach ein zu ›kindliches‹ Ende für eine bis dahin doch sehr ernste Geschichte. Man hat ja auch eindeutig gemerkt, dass Herr Koreander nicht mehr der Griesgram vom Anfang war und Bastians Vater schien auch ein wenig aus der Rolle zu fallen. Ein Kind eine Nacht zu verlieren kann zwar durchaus schlimm sein, aber dass er sich dann wirklich so ändert, ist irgendwie nicht ganz glaubwürdig.

♠:
Ich habe auch in meiner kleinen Recherche zum Entstehungsprozess des Romans gelesen, dass Ende lange nicht wusste, wie das Ende (haha!) aussehen soll, vielleicht wirkt es darum so forciert?

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Das Ende ging mir auch etwas zu schnell bzw. zu einfach. Dennoch finde ich es, was die Charakterentwicklung betrifft, nachvollziehbar: Am Anfang ist Bastian durch das Mobbing seiner Klassenkameraden und sein geringes Selbstwertgefühl sehr verschlossen, und sein teilweise egoistisches Handeln im Laufe der Geschichte ja durch den Verlust seiner wichtigsten Erinnerungen bedingt. Im Umkehrschluss bedeutet das ja, dass die Erinnerung an die Menschen, die wir lieben (wie seine Eltern) uns menschlicher machen. Und der Vater verändert sich so, weil Bastian die Fähigkeit, zu lieben, erlangt, und ihn damit berühren kann. Ich glaube, für Kinder ist es dann nicht so wichtig, wie plötzlich eine solche Entwicklung passiert, sondern, mit welcher Botschaft dahinter.

♣:
Das stimmt allerdings. Ich finde die Botschaften im Roman ohnehin alle sehr schön. Dass Liebe ein wichtiger Bestandteil des Lebens ist, ist nur eine davon. Und dass Erinnerungen uns zu dem machen, was wir sind. Ich finde es auch schön, dass man nur ein anderer sein kann, wenn man sich auch ändert oder dass nicht alles Gute oder Böse nur gut oder böse ist, sondern beides gleichberechtigt und ambivalent ist. Gut bleibt nicht immer gut und böse nicht immer böse. Das sieht man ja gerade an Bastian und Atréju sehr gut, die sich zwischenzeitlich sogar bekämpfen, was durchaus eine böse Handlung ist.

♠:
Stimmt, das ist ein echt wichtiger Punkt. Unterschreibe ich so.



An diesem Punkt ziehen wir einen ersten Schlussstrich. Bis hierhin hat uns Die Unendliche Geschichte größtenteils überzeugt! Doch welche Charaktere sind uns ans Herz gewachsen, mit welchen konnten wir wenig anfangen und wie werden Gut und Böse dargestellt? Das erfahrt ihr nächste Woche mit dem zweiten Teil unserer Diskussion!

Falls du die anderen Teile dieser Buchbesprechung noch nicht gelesen hast:
Teil 01: Inhalt/Ende (14.04.2018) | Teil 02: Charaktere (21.04.2018) | Teil 03: Sprache (28.04.2018) | Teil 04: Was Autoren von Michael Ende lernen können/Fazit (05.05.2018)

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